Wer 1986 schon auf der Welt war und ins Kino ging, konnte sich „Top Gun“ kaum entziehen. Zumal der Film später immer wieder im Fernsehen gezeigt wurde. Der Actionfilm mit Tom Cruise und Kelly McGillis in den Hauptrollen zeigte die Abenteuer und den heldischen Reifeprozess des US-amerikanischen Marine-Jagdfliegers Pete „Maverick“ Mitchell. „Top Gun“ feierte die technische und taktische Vorrangstellung der US-Militärfliegerei. Produziert hat den Film der Actionspezialist Jerry Bruckheimer, dem wir auch Filme wie „The Rock“ mit Nicholas Cage, Sean Connery und Ed Harris verdanken. Die Regie führte Tom Scott, der Bruder des ungleich fähigeren Ridley Scott.
Star Tom Cruise will in „Top Gun 2“ selber fliegen
„Top Gun“ glänzte damals durch exzellent gefilmte Luftkampfszenen und einen für mitteleuropäischen Geschmack geradezu brachialen amerikanischen Patriotismus. Zur Zeit ist der Film wieder in den Medien, weil Tom Cruise einen zweiten Teil dreht und nach Medienberichten dafür auch lernt, einen Düsenjäger zu fliegen. Gedreht wird bereits seit Mai 2018, und ursprünglich sollte „Top Gun 2“ im Juli 2019 in die Kinos kommen. Aber nun hat die Produktionsfirma Paramount Pictures mitgeteilt, dass der Film erst am 26. Juni 2020 starten wird. Über die Gründe wird spekuliert. Genannt werden nachträgliche Änderungen am Drehbuch, aber auch Überarbeitungen an den Flugszenen und der Wunsch von Tom Cruise, selbst am Steuerknüppel eines modernen Kampfjets zu sitzen.
Nachbesserungen am Drehbuch sind in Hollywood nicht ungewöhnlich. Wenn bei Probeaufführungen das Publikum nicht so begeistert reagiert wie sich die Produzenten das vorstellen, werden schon mal ganze Sequenzen neu entwickelt und nachgedreht. Dass Tom Cruise Actionszenen gerne selbst dreht, ist bekannt. Dieser harte Anspruch brachte ihn bei „Mission Impossible 6“ sogar ins Krankenhaus. Er hatte sich beim Sprung von einem Hochhaus zum anderen den Knöchel verstaucht. Für „Top Gun 2“ dürfte das jedoch etwas schwieriger werden. Cruise ist zwar stolzer Besitzer einer Flugzeugsammlung, darunter eine P-51 „Mustang“ aus dem 2. Weltkrieg, und darf alle Maschinen selbst fliegen. Er hat auch eine Jetpiloten-Lizenz. Aber für moderne Navy-Jets, speziell das aktuelle Standardkampfflugzeug F-18 E/F „Super Hornet“ wird er wieder Stunden nehmen und dann Gnade vor den strengen Fluglehrern der U.S. Navy finden müssen.
Top Gun und Tom Cruise brachten der U.S. Navy Pilotennachwuchs
Im „Top Gun“-Film von 1986 war davon noch keine Rede. Alle Kampfjets, die im Film zu sehen sind, wurden von Navy-Piloten geflogen. Die Schauspieler bekamen von der U.S. Navy, die den Film grosszügig unterstützte, ein paar Mitflüge in Düsenjägern spendiert, damit sie die Piloten besser verkörpern konnten. So durfte Tom Cruise auf dem Platz des RIO oder Radar Intercept Officer (Radar-Abfang-Offizier, bei der deutschen Luftwaffe Waffensystem-Offizier) einer F-14 Platz nehmen. Aber das Gros der Cockpit-Szenen entstand in einer Studio-Kulisse.
Die U. S. Navy nutzte den Film als Werbung für die Marinefliegerei und sah großzügig über die vielen kleinen und grossen hollywoodtypischen Fehler hinweg. Kein Kampfflieger reißt sich im Luftkampf die Atemmaske vom Gesicht, um mehr Luft zu kriegen. Und das „Buzzing“ oder nahe Vorbeifliegen am Tower, wie es in „Top Gun“ zu sehen ist, führt im wirklichen Leben mindestens zu einer Disziplinarstrafe oder sogar zum Karriereende.
Die Fans amerikanischen Popcorn-Kinos und rasant geschnittener Luftkampfszenen kamen im Zweifelsfall auch trotz Tom Cruise und seines Zahnpasta-Lächelns auf ihre Kosten. Denn die eigentlichen Stars des Films waren die Flugzeuge, speziell die Grumman F-14 „Tomcat“, damals wohl einer der kampfstärksten Jäger der Welt, oder die wendigen Douglas A-4 „Skyhawks“ und Northrop F-5E/F „Tiger II“, die als Gegner in den Luftkampfszenen zu sehen waren. Die Northrop F-5 wurden schwarz gespritzt und mit einem roten Stern am Leitwerk versehen. So stellten sie fiktive „MiG-28“-Jäger dar.
„Top Gun“: die elitäre Jagdfliegerschule der U.S. Navy besteht bis heute
Zudem hatte die elitäre Ausbildungseinrichtung für Jagdflieger auf dem US-Marinefliegerhorst Miramar ein reales Gegenstück, die auch im realen Leben „Top Gun“ genannte U.S. Navy Fighter Weapons School. Die Schule wurde in den 1960er Jahren gegründet, um die Ausbildung von Marinejagdfliegern zu verbessern, die über Vietnam gegen die nordvietnamesische Luftwaffe oft das Nachsehen hatten. Die Schule besteht bis heute, zog jedoch 1996 auf den Marinefliegerhorst (NAS oder Naval Air Station) Fallon in Nevada um. Heute firmiert sie als das United States Navy Strike Fighter Instructor Program. Allerdings ist der Name „Top Gun“ Geschichte. Wer in Fallon die Worte „Top Gun“ fallen lässt oder aus dem Film zitiert, bekommt fünf Dollar vom Sold abgezogen.
Mitte der 1980er Jahre, zu der Zeit, in der „Top Gun“ spielt, lernten hier die Jagdflieger der U.S. Navy und des Marinecorps, wie sie in Luftkämpfen gegen den damaligen Angst- und Hauptgegner, die sowjetischen Luftstreitkräfte, die Oberhand behielten. Die Jägerstaffeln auf den US-Flugzeugträgern waren damals mit einer Ausnahme mit der Grumman F-14 „Tomcat“ ausgerüstet. Die einzige Ausnahme bildete die im japanischen Marinehafen Yokosuka stationierte U.S.S „Midway“, auf der noch die älteren F-4 „Phantom II“ geflogen wurde.
Video: „Top Gun“-Ausbildung im kalifornischen Miramar
Dokumentation über die ersten Jahre des F-14-Einsatzes in der U.S. Navy und die „Top Gun“-Ausbildung im kalifornischen Miramar.
Kampfstärkster Jäger ihrer Zeit: die Grumman F-14A „Tomcat“
Die F-14 „Tomcat“ hatte zwei Mann Besatzung, den Piloten und den Radar-Abfang-Offizier oder Radar Intercept Officer (RIO). Der Pilot flog das Flugzeug, der RIO übernahm die Navigation und den Einsatz der einzelnen Waffen an Bord. Bei der „Tomcat“ war das eine Kombination von Bordkanone und Lenkwaffen. Für den absoluten Nahbereich verfügte das Flugzeug über eine mehrläufige M61-Gatling Gun vom Kaliber 20 mm. Über mittlere Distanzen konnte die F-14 entweder hitzesuchende „Sidewinder“-Raketen oder radargelenkte „Sparrow“-Lenkwaffen verschießen. Die Hauptwaffe der „Tomcat“ war die AIM-54 „Phoenix“, die ebenfalls mit Radar gelenkt wurde und bis zu 200 Kilometer weit flog.
Die „Tomcats“ sollten eine US-Trägerkampfgruppe gegen angreifende Bomber und Lenkwaffen verteidigen, aber auch eigene Kampfflugzeuge bei ihren Missionen begleiten und gegen feindliche Jäger verteidigen. Später kam auch noch die Luftangriffsrolle mit Bomben und Lenkwaffen sowie die Luftaufklärung hinzu. Durch ihre automatisch verstellbaren Schwenkflügel konnte sie sowohl im Luftkampf gegen Jäger bestehen als auch Patrouillen- und Überwachungseinsätze mit langer Flugdauer fliegen. Die Höchstgeschwindigkeit der „Tomcat“ lag bei Mach 2,37 in rund 10.000 Metern Höhe. Von der F-14 wurden zwischen 1972 und 1994 712 Maschinen gebaut. 80 Maschinen gingen in den später 1970er Jahren in den Iran, dessen Luftwaffe das Flugzeug bis heute fliegt. Die U.S. Navy stellte ihre letzten F-14 „Tomcat“ 2006 außer Dienst. An ihre Stelle trat die modernere, aber leistungsmäßig unterlegene Boeing F-18E/F „Super Hornet“.
Simulierter Luftkampf: „Tomcats“ gegen „Skyhawks“
Während der „Top Gun“-Ausbildung in Miramar trainierten die F-14-Besatzungen gegen speziell ausgebildete Piloten, die entweder leichte Jagdbomber vom Typ Douglas A-4 „Skyhawk“ oder F-5 „Tiger II“-Jäger flogen. Dabei simulierte die A-4 leichtere und ältere sowjetische Jäger wie die MiG-17, die F-5 dagegen modernere Typen wie die MiG-21 oder MiG-23. Die Piloten dieser speziellen „adversary squadrons“ (zu deutsche etwa ‚Gegenspieler-Staffeln‘) waren in sowjetischen Luftkampftaktiken geschult und sollten den regulären Fliegern eine möglichst realistische Feinddarstellung bieten. Die Übungen wurden und werden in speziell ausgewiesenen Zonen durchgeführt, die durch Radar und Kamerasysteme am Boden überwacht werden. Auch die Flugzeuge selbst tragen bei diesen Übungen spezielle Sensorbehälter, die das Geschehen aufzeichnen. So kann jeder Luftkampf bei der Nachbesprechung gründlich ausgewertet werden.
Parallel zur U.S. Navy stellten auch die amerikanische Luftwaffe und das U.S. Marine Corps derartige Staffeln auf. Wohl um alles ein bisschen anders zu machen, bezeichnet die U.S. Air Force diese Einheiten als ‚aggressor squadrons‘ . Während des Kalten Krieges waren derartige Staffeln nicht nur in den USA selbst stationiert, sondern auch in Asien und Europa. Auch andere Luftwaffen folgten dem US-amerikanischen Beispiel, haben ihre Einheiten aber im Laufe der Jahre aus Sparsamkeitsgründen wieder aufgelöst. Die US-Streitkräfte haben einen Teil dieser Art der Feinddarstellung mittlerweile Privatunternehmen übertragen.
Das „Top Gun“-Training sicherte die US-Führungsrolle im Luftkampf
Allerdings ist der Wert dieser Art des Trainings unbestritten. Als die US-Luftstreitkräfte ihre ersten Einsätze über Vietnam flogen, waren die Jagdflieger gewohnt, bei Luftkampfübungen gegen ihre Staffelkameraden, bestenfalls noch gegen einen anderen Verband zu fliegen. Luftkampftraining zwischen Verbänden, die verschiedene Flugzeugtypen flogen, waren eher ungewöhnlich. Zudem verließ sich das US-Militär auf die Überlegenheit ihrer modernen Lenkwaffen. Die nordvietnamesische Luftwaffe suchte dagegen immer wieder den Nahkampf, in der sowjetische Jets wie die MiG-17 und MiG-19, später auch die MiG-21, den amerikanischen Flugzeugen ebenbürtig und teilweise sogar überlegen waren.
Die Defizite des Trainings hinderten die US-Flieger jedoch oft daran, die Stärken ihrer eigenen Flugzeuge auszuspielen. Auch waren die Lenkwaffen weit weniger effektiv als erwartet. Aber der damals modernste US-Jäger, die F-4 „Phantom II“ hatte keine Bordkanone und geriet dadurch gegenüber den wendigeren nordvietnamesischen Jägern immer wieder ins Hintertreffen. Erst verbesserte Taktiken und Modifikationen wie ein Kanonenbehälter unter dem Rumpf brachten hier die Wende.
Die U.S. Air Force gab mit der F-4E sogar eine Version in Auftrag, die wieder über eine eingebaute Bordkanone verfügte. Bei der Entwicklung der nächsten Kampfflugzeuggeneration, etwa der F-14 „Tomcat“ und der F-18 „Hornet“ spielten die Erfahrungen aus dem Vietnamkrieg eine große Rolle. War die F-4 „Phantom II“ eigentlich ein Patrouillenjäger und mittlerer Bomber gewesen, legten die Planer und Entwickler nun wieder großen Wert auf überragende Fähigkeiten im Luftkampf und eine ausgewogenere Bewaffnung.
Mit der F-14 „Tomcat“ entstand so eines der leistungsfähigsten Kampfflugzeuge der damaligen Zeit. Die sowjetische, heute russische, Militärluftfahrt holte erst durch die MiG-29 und Sukhoi Su-27 wieder auf. Ironischerweise sind diese Flugzeuge und ihre Weiterentwicklungen bis heute nicht nur in Russland, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern der Welt im Einsatz, während die U.S. Navy ihre „Tomcats“ längst außer Dienst gestellt hat.
„Top Gun“-Training: für westliche Luftwaffen wichtiger denn je
Die „Top Gun“-Ausbildung hat Schule gemacht. Länder mit großen Luftwaffen, wie China, Japan, Indien oder Russland, haben ebenfalls ‚Aggressor‘-Einheiten für das Luftkampftraining. In den europäischen NATO-Ländern gibt es diese Einheiten jedoch nicht. Dafür führte die NATO reguläres Luftkampftraining zwischen Verbänden ein, die unterschiedliche Typen fliegen. Dieses „DACT“ oder „Dissimilar Air Combat Training“ ist sowohl Teil der Ausbildung wie auch des ständigen Einsatztrainings. Dabei fliegen zum Beispiel deutsche „Eurofighter“ oder MRCA „Tornados“ gegen französische „Mirage 2000“ oder holländische F-16-Jäger. Seit die Luftwaffen der Schweiz und Schwedens gemeinsam mit ihren europäischen Nachbarn üben, kommt zusätzliche Vielfalt ins Einsatztraining.
Die U.S. Navy spielt, was Jagdflugzeuge betrifft, nicht mehr in einer eigenen Liga. Ihr modernster Jäger, die F-18 E/F „Super Hornet“, ist Typen wie der französischen „Rafale“, dem „Eurofighter“ oder den modernen russischen Jagdflugzeugen in vielen Leistungsparametern unterlegen. Auch die chinesischen Luftstreitkräfte fliegen mittlerweile mindestens gleichwertige Flugzeuge. Und die neue F-35 hat im Luftkampf ihre Defizite, auch wenn sie in Sachen Stealth-Eigenschaften und moderner Elektronik wohl führend ist. Für Pete „Maverick“ Mitchells reale Gegenstücke ist daher realitätsnahes Einsatztraining noch wichtiger, zumal die US-Luftstreitkräfte seit zwanzig Jahren wenig mehr getan haben als Bombenkrieg gegen Gegner ohne eigene Luftwaffe oder Flugabwehr zu führen. „Maverick“ mag in „Top Gun 2“ wieder als Sieger nach Hause fliegen. In der realen Welt könnte der „Top Gun“-Pokal jedoch auch an andere westliche Luftwaffen, Russland, Indien oder China gehen.
Bildnachweis: © #1 Alan Light via Wikimedia Commons, #2 LCDR (Lieutenant-Commander oder Korvettenkapitän) David Baranak USN via Wikimedia Commons, #3 + #4 + #5 + #6 + #7 + #8 + Titelbild/#9 + #10 U.S. Navy via Wikimedia Commons
1 Kommentar
Einmal wie Maverick durch die Luft düsen, dann die erfolgreiche Frau mit Einfluss treffen und als Star in die Geschichte eingehen: Wer hat sich das nicht schon gewünscht?
Top Gun ist wohl der Film, den wir als Jugendliche am häufigsten gesehen haben und auch wenn vieles dahinter nur Trick 17 ist, stellen wir uns doch in unseren kühnsten Träumen immer noch gern vor, wie es wohl sein könnte, als Tom Cruise durch die Luft zu sausen.
Interessant zu erfahren, was hinter den Darstellungen steckt.