Die Frau im Mond: ein Motiv macht Geschichte

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Wer kennt die „Die Frau im Mond“? Der sprichwörtliche „Mann im Mond“ zieht sich nicht nur durch Kinderlieder und Märchenbücher. Es gibt nicht nur reale Männer, die auf dem Mond gewesen sind, sondern auch Opern und Filme mit diesem Titel. Ein älteres literarisches Zeugnis ist etwa der satirische Roman „Der Mann im Mond oder Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme“, den der spätromantische Dichter Wilhelm Hauff 1825 veröffentlichte. Hauff verdanken wir etwa den „Kleinen Muck“, die Geschichte vom „Zwerg Nase“ und „Das Wirtshaus im Spessart“.

„Die Frau im Mond“ ist Deutschlands bekanntester Zukunftsfilm

Die „Frau im Mond“ verweist dagegen zunächst in die Antike, etwa auf die griechische Mondgöttin Selene. Oder auf den gleichnamigen Stummfilm des deutschen Regisseurs Fritz Lang. Seine Frau, die erfolgreiche Schriftstellerin Thea von Harbou hatte ihren unter dem gleichen Titel veröffentlichten Roman zu einem Filmdrehbuch umgearbeitet. „Die Frau im Mond“ ist einer der letzten deutschen Stummfilme und zählt neben „Metropolis“ wohl zu Fritz Langs bekanntesten Filmen.

Video des Stummfilms „Die Frau im Mond“

Erzählt wird die Geschichte der ersten Mondexpedition, die aufbricht, um auf der Rückseite des Mondes vermutete Goldvorkommen zu erschließen. Treibende Kraft ist der Mondforscher Professor Georg Manfeldt. Der wird zwar von seinen Kollegen als unbelehrbarer Exzentriker verlacht. Aber er kann den Ingenieur und Flugzeugfabrikbesitzer Wolf Helius für das Projekt eines Mondflugs begeistern. Helius zieht den Ingenieur Windegger und seine Verlobte, die Astronomiestudentin Friede Velten als Unterstützung heran. Friede Velten verkörpert im Film den Typus der „Neuen Frau“, die dem Mann als gleichberechtigtes Wesen gegenüber tritt. So bauen die „Helius“-Werke das futuristisch anmutende Raketenschiff „Friede“.

Schiffbau mit Hindernissen

Der Film hat zwei Teile. Der erste Teil ist eine konventionelle Spionagegeschichte, während der eigentliche Flug zum Mond im zweiten Teil erzählt wird. Natürlich tauchen gleich im ersten Teil die Bösewichte auf, und natürlich sind es US-Amerikaner. Der Ganove Turner verübt Bombenanschläge auf die „Helius“-Werke, stiehlt die Konstruktionspläne und erpresst so seinen Mitflug. Turner soll im Auftrag einer Gruppe zweifelhafter Geschäftsleute die Goldvorkommen des Mondes sichern.

So starten Manfeldt, Helius, Windegger, Friede Velten, quasi als „Frau im Mond“ mit dem Gauner Turner an Bord. Außerdem hat die „Friede“ einen blinden Passagier: Gustav, den kleinen Sohn von Helius‘ Fahrer. Der zweite Teil des Films schildert dann, wie die Expedition beinahe scheitert. Der Flug der „Friede“ verläuft ohne besondere Vorkommnisse, aber die Landung geht beinahe schief. Die Expedition verliert ihre Wasservorräte, und das Triebwerk wird vom Mondsand verschüttet.

Der Mondsand geisterte sehr lange nicht nur durch die Science-Fiction. Auch seriöse Wissenschaftler nahmen lange Zeit an, der Mond sei über weite Strecken von fast grundlosen Treibsand- und Staubfeldern bedeckt. So beschrieb der britische Autor Arthur C. Clarke 1962 in „Im Mondstaub versunken“ ein Staubmeer, das mit Raketenbooten befahren wird. Allerdings versinkt die Yacht „Selene“ bei einem Mondbeben im Staub, was eine abenteuerliche Rettungsaktion nach sich zieht.

Erst genauere Untersuchungen des Mondes und die ersten Sonden sorgten hier für Klarheit. Es gibt keinen Treibsand auf dem Mond. In der Regel ist die Oberfläche von Regolith bedeckt, einer Art körnigem Sand.

Menschliche Dramen auf dem Erdtrabanten

Thea von Harbou war eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen und Drehbuchautorinnen der Weimarer Republik. Im Gegensatz zu Fritz Land sympathisierte sie mit den Nazis. (#03)

Thea von Harbou war eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen und Drehbuchautorinnen der Weimarer Republik. Im Gegensatz zu Fritz Land sympathisierte sie mit den Nazis. (#03)

Professor Manfeldts Mondexpedition steht unter keinem guten Stern. Windegger erweist sich als labil und neigt zu Panikanfällen. Manfeldt selbst verunglückt in einer Höhle tödlich, kurz nachdem er Gold gefunden hat. Turner versucht, das Schiff zu übernehmen, wird aber bei der entstehenden Schießerei getötet.

Leider durchschlägt eine verirrte Kugel einen der Sauerstofftanks, sodass die Luft nicht mehr für alle reicht. Helius und Windegger müssen auslosen, wer zurückbleibt, damit die Luft für die anderen reicht. Zwar zieht Windegger den kürzeren, aber Helius bleibt freiwillig auf dem Mond.

Er ist unglücklich in Friede Velten verliebt, betäubt beide und lässt Gustav das Schiff steuern. Die „Friede“ steigt zum Rückflug auf. Allerdings ist Friede Velten auf dem Mond geblieben, um Helius bis zur Rettung Gesellschaft zu leisten.

Sie wird zur ersten „Frau im Mond“. Da es auf Thea von Harbous Mond Wasser und Sauerstoff gibt, können die beiden überleben. Man kann dort sogar normal atmen.

„Frau im Mond“ verarbeitet zeitgenössische Wissenschaft

Fritz Lang bei Dreharbeiten zu „Frau im Mond“. (#01)

Fritz Lang bei Dreharbeiten zu „Frau im Mond“. (#01)

Fritz Lang bemühte sich bei der „Frau im Mond“ um größtmöglichen Realismus. Er verpflichtete den damals recht bekannten Wissenschaftsjournalisten Willy Ley und den Raketenpionier Hermann Oberth als Berater. Die Darstellung der Umweltverhältnisse auf dem Mond beruhte auf den Theorien des Astronomen Peter Andreas Hansen, die damals als weitgehend plausibel galten. Lang erfand auch den Countdown, der heute aus der Raumfahrt nicht mehr wegzudenken ist. Allerdings hatte das rein dramaturgische Gründe: „Als ich das Abheben der Rakete drehte, sagte ich mir: Wenn ich eins, zwei, drei, vier, zehn, fünfzig, hundert zähle, weiß das Publikum nicht, wann die losgeht. Aber wenn ich rückwärts zähle, zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, NULL! – dann verstehen sie.“

Der Start aus einem Wasserbecken geht auf Oberths Überlegungen zurück, dass eine große Rakete zu leicht sein würde, um auf der Erde frei zu stehen. Für die Mondlandschaft ließ Lang 40 Waggons Ostseesand in die Ufa-Studios bei Neubabelsberg nahe Potsdam transportieren.

Langs Zukunft ist akutell und ein bißchen von gestern zugleich

Thea von Harbou und Fritz Lang 1923 oder 1924 in ihrer Berliner Wohnung. (#02)

Thea von Harbou und Fritz Lang 1923 oder 1924 in ihrer Berliner Wohnung. (#02)

Wie so viele Zukunftsfilme, die gedreht wurden, bevor Menschen tatsächlich in den Weltraum und zum Mond flogen, enthält die „Frau im Mond“ sowohl Annahmen, die sich als richtig erwiesen, wie auch krasse Irrtümer. Die Raketentechnik des Films wirkt eher peinlich. Und auf dem Mond gibt es keine Lufthülle. Raumanzüge, wie sie der Film zeigt, sind also unverzichtbar. Bleisohlen wie im Film sind jedoch überflüssig. Auch auf dem Mond sind Menschen zu schwer, um durch einen leichtsinnigen Sprung in einer Umlaufbahn zu landen. Und es gibt wirklich Wasser, Sauerstoff, und auch Gold sowie andere Metalle auf dem Mond. Wasser und Sauerstoff liegen gefroren unter der Oberfläche. Bei den aktuellen Transportkosten wäre Mondgold jedoch praktisch unbezahlbar. Die Turners der realen Welt sind wohl ganz woanders unterwegs, im Kongo beispielsweise.

Die „Friede“ sah der V2 sehr ähnlich. Hier dürfte wohl Oberths Mitarbeit eine Rolle gespielt haben, der später auch an der realen Raketenentwicklung mitarbeitete. Langs Filme wurden von den Nazis verboten, vermutlich, weil Lang nach 1933 mit den neuen Machthabern nichts zu tun haben wollte und schon in den Jahren vorher seine Distanz zu ihnen gezeigt hatte. Lang ging 1933 ins Exil.

Der Film wurde 2001 in einer restaurierten, fast drei Stunden langen Fassung auf der „Berlinale“ gezeigt. Er läuft gelegentlich in Programmkinos und ist auf DVD erhältlich. Im realen Leben ist die „Frau im Mond“ bisher Fiktion geblieben. Unter den US-amerikanischen Mondfahrern war keine einzige Frau. Allerdings sind mittlerweile zahlreiche Frauen an Bord US-amerikanischer, sowjetischer und später russischer Raumschiffe sowie im Rahmen europäischer Missionen im All gewesen. Es gab auch schon Frauen als Mission Commander auf US-amerikanischen Shuttle-Missionen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis eine Frau als vollwertige Angehörige einer Mondexpedition zum Erdtrabanten fliegt. Friede Velten war ja noch in ihrer Eigenschaft als Verlobte an Bord des Harbou-Langschen Mondschiffs gewesen.


Bildnachweis: © Titelbild + #01 Bundesarchiv via Wikimedia Commons, #02 + #03 Wikimedia Commons

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

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