CATIA V5: Dassaults CAM-Programm

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Dassaults computergestützte Entwurfsumgebung CATIA V5 ist in vielen Industriebranchen Standard.

CATIA V5

CATIA steht für „Computer-Aided Three-Dimensional Interactive Application“ und bezeichnet eine computergestützte Entwurfsumgebung, die die französische Firma Dassault ursprünglich für den Flugzeugbau entwickelte. Mittlerweile hat sich CATIA auch in vielen anderen Branchen etabliert. Dassault Systèmes ist eine 1981 gegründete Tochter von Avions Marcel Dassault, die sich bis heute speziell mit der Weiterentwicklung und Vermarktung von CATIA V5 und dem Nachfolger CATIA V6 beschäftigt.

CATIA entsteht als Entwurfsprogramm im Flugzeugbau

Avions Marcel Dassault begann 1969 damit, mit Hilfe der Computertechnik interaktiv technische Zeichnungen zu erzeugen. Das erste Flugzeug, das bei Dassault am Computer entwickelt wurde, war der „Alpha Jet“. Die CATIA-Entwicklung geht auf das ursprünglich von Lockheed konzipierte Entwurfsprogramm CADAM zurück. CADAM steht für „Computer-Augmented Design and Manufacturing“, also in etwa „Computer-verstärktes Entwerfen und Herstellen“. Das Programm verband bereits die Entwicklungsarbeit mit der Planung von Produktionsprozessen. CADAM arbeitete jedoch nur zweidimensional, sodass Dassault 1978 damit begann, eine dreidimensionale Entwurfsumgebung als Ergänzung zu konzipieren. 1981 erhielt das fertige Programm die englischsprachige Bezeichnung CATIA. Die Konzerngesellschaft Dassault Systèmes wurde am 5. Juni 1981 gegründet, um CATIA zu vermarkten. Das neue Unternehmen schloss eine Vertriebsvereinbarung mit IBM und bot CATIA V1 als Add-on zu CADAM an. So bekam das US-amerikanische Programm eine zusätzliche 3D-Fähigkeit und konnte nun auch Flächen modellieren.

Neue Fähigkeiten für CATIA

1984 bekam CATIA eigene Zeichnungsfunktionen und konnte nun ohne CADAM genutzt werden. CATIA V2 kam 1985 auf den Markt. Drei Jahre später folgte dann CATIA V3, die erstmals auch auf UNIX-Workstations lief. Die nächste Version kam dann 1993 auf den Markt. CATIA V4 lief ab 1996 auch auf IBM AIX und Unix-Plattformen von HP, SGI und SUN.

Mit der Vorstellung von CATIA V5 im Jahre 1999 war gleichzeitig ein Generationensprung verbunden. Denn Dassault Systèmes entwickelte diese Version auf Windows-Basis neu und machte so ein Konstruieren am PC möglich. Die Entwickler führten viele neue Bedien- und Datenkonzepte ein, die sich auch bereits in den CAD-System anderer Anbieter fanden. So wies CATIA V5 eine neue Benutzeroberfläche und neue Dateiformate auf. Zwar konnten Daten, die mit älteren Versionen erzeugt wurden, übertragen werden. Aber es ist nur begrenzt möglich, sie weiterzubearbeiten. In den folgenden Unterversionen wurde CATIA V5 weiter verbessert; so stand ab dem Release CATIA V5R16 zum ersten Mal eine reine 64bit-Version zu Verfügung, die auf Windows XP Professional x64 lief. Die Releases bis CATIA V5-6R2016 brauchen Windows 7 als Betriebssystem, inzwischen ist aber Windows 10 das gängige System. CATIA V5 ist bis heute die am weitesten verbreitete Version. Verwendet wird sie in der Luft- und Raumfahrt-Industrie und deren Zulieferern, sowie in der Automobilindustrie.

Allerdings ist seit 2008 auch CATIA V6 verfügbar. Trotzdem wird auch das Vorgängerprogramm weiter entwickelt. So erschien im Frühjahr 2010 CATIA V5 R20. Die Benutzeroberfläche von CATIA V6 entspricht dabei weitgehend der von V5. Die neueste Version von CATIA V6 wird mittlerweile als CATIA 3DEXPERIENCE angeboten.

Dassaults CATIA-Produktfamilie

CATIA V5, CATIA V6 und CATIA 3DEXPERIENCE sind im Prinzip verschiedene Versionen von Dassault Systèmes Designsuite. Dassault hat mit seinen Entwurfsprogrammen den gesamten Prozess vom ersten Rohentwurf bis zur Planung der Produktion digital abgebildet. CATIA V5 hat das Vorgängerprogramm weitgehend ersetzt.

Mit CATIA V5 lassen sich Objekte vom einzelnen 3D-Bautel bis zu kompletten Baugruppen konstruieren. CATIA st eine CAD-Software zum parametrischen und nicht-parametrischen Modellieren. Parametrisches Modellieren beschreibt geometrische Objekte wie etwa Punkte, Linien, Kurven oder Körper mit ihren Bedingungen und Beziehungen zueinander assoziativ durch Parameter beschrieben. Aus dem Charakter eines Modells wird ein neuer, zusammengesetzter Parameter gemeldet; das bedeutet, man kann erst eine Schraube erzeugen und dann durch Ändern einzelner Parameter verschieden große Schrauben erzeugen. Das ermöglicht auch ganze Normteilbibliotheken; außerdem kann ein Konstrukteur seinen Entwurf schnell durch Veränderung eines einzigen Parameters modifizieren, ohne das zugrundeliegende Modell neu aufbauen zu müssen.

Die Fähigkeiten der Grundversion

Die Grundversion ermöglicht nicht nur Entwurfsarbeiten, sondern auch die Simulation von physikalischen Vorgängen mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode. Das können Krafteinwirkungen auf deformierbare Festkörper, also beispielsweise die Verformung eines Bauteils unter Druck sein, oder auch die Wärmeverteilung in einem Pumpen- oder Turbinengehäuse. Außerdem bietet das Programm Funktionen wie technische Dokumentation, Werkzeugkonstruktion, Stücklisten oder die Maschinen-, Roboter- und Fertigungssimulation.

Dabei kann CATIA für die Bedürfnisse des jeweiligen Anwenders maßgeschneidert werden. Es sind Lösungen für große Unternehmen, aber auch für mittelständische Firmen, Zulieferer oder Kleinbetriebe möglich. Das Programm ist ein so genanntes skaliertes Produkt, das heißt, die Software kann in verschieden umfangreichen Versionen installiert werden. Angeboten wird CATIA V5 auf drei verschiedenen Plattformen, als P1, P2 oder P3. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf den Funktionsumfang, die Lauffähigkeit auf Betriebssystemen und die Benutzeroberfläche.

Drei verschiedene Plattformen

Die P1-Plattform wendet sich an Anwender, die zwar ein modernes CAD-System, aber nicht die volle Funktionalität brauchen. Sie wird von Kleinbetrieben genutzt, aber auch zur Ausbildung auf CATIA V5. P1 bietet Tools wie ‚Curve Based Design‘, ‚Solid Base Design‘ oder Drawing.

Dagegen ermöglicht die P2-Plattform prozessorientiertes Arbeiten. Sie beinhaltet zusätzlich die Tools zum Erzeugen von Flächen und Körpern sowie Funktionen wie Analyze Equipment, Kinematik, Manufacturing, Plant Design, und viele andere. Diese Plattform ist in der Automobilentwicklung Standard. Der Funktionsumfang ist in etwa vergleichbar mit CATIA V4. Die CATIA V5 P2-Plattform läuft auf Windows 2000, Windows NT, Windows 2000, Windows XP, AIX® , Hewlett Packard HP-UX, SGI IRIX und Sun Solaris.

Die P3-Plattform enthält dann Sonderanwendungen, die sich nur für Spezialisten eignen.

Wie sich CATIA erweitern und ergänzen lässt

Dassault Systèmes bietet zur Ergänzung weitere Programme an, die mit CATIA V5 zusammen arbeiten. So gibt es spezielle Software zum Produkt-Daten-Management, die jeweils auf die Unternehmensgröße zugeschnitten sind. So wird für kleinere und mittlere Betriebe „Smartteam“ angeboten, für größere Firmen dagegen „Matrix One“.

  • ENOVIA ist eine spezialisierte Software für das Produkt-Daten-Management. Sie dient dazu, den Lebenszyklus auch komplexer Produkte zu verwalten, den Entwicklungsprozess und die Weiterentwicklung sowie die Verfügbarkeit von einzelnen Teilen im Blick zu behalten.
  • DELMIA dient zur digitalen Planung und Steuerung der Produktion. Das Programm bietet Lösungen, um Produktionsprozesse zu simulieren, zu planen, zu überwachen und zu verbessern.
  • SIMULIA ist ein Simulationsprogramm, mit dem denen das reale Verhalten von Produkten simuliert werden kann. Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit lassen sich bewerten, noch bevor die ersten Prototypen gebaut werden.
  • CATIA Composer verwaltet vorhandene 3D-Konstruktionsdaten und Produktinhalte. Das Programm unterstützt die technische Dokumentation, aber auch die Produktkommunikation zwischen Mitarbeitern, Kunden und Partnerunternehmen. Mit dem Programm lassen sich zudem Illustrationen herstellen und aktualisieren.
  • DYMOLA ist ein Modellierungs- und Simulationsprogramm, das auf der als open source vorliegenden Modellierungssprache Modelica basiert. Große und komplexe Systeme werden aus kleineren Modell-Komponenten zusammengesetzt, während mathematische Gleichungen das dynamische Verhalten des ganzen Systems beschreiben. DYMOLA ist als Einzelprogramm verfügbar, aber integriert in das Gesamtpaket CATIA 3DEXPERIENCE.
  • ICEM kommt bei der Modellierung von Oberflächen, der Oberflächenanalyse und der Visualisierung von Produkten im Entwurfsstadium zum Einsatz.
  • EXALEAD ist eine ursprünglich von der Firma gleichen Namens entwickelte Internet-Suchmaschine. Dassault Systèmes kaufte die Firma 2010 und gliederte sie als Division gleichen Namens ins Unternehmen ein. Das Programm ist Bestandteil der CATIA 3DEXPERIENCE-Produktfamilie und hilft Unternehmen beim Sammeln und Verwalten großer Datenmengen. Außerdem kann die Suchmaschine die Daten in jeder gewünschten Form darstellen. Neben den Firmenlösungen existiert auch eine normale, für die Öffentlichkeit nutzbare Suchmaschine mit einem Index von über 16 Milliarden Seiten.
  • NETVIBES ist ein weiterer Zukauf von Dassault Systèmes. Dabei handelt es sich um einen von der gleichnamigen Firma entwickelten Online-Dienst für benutzerdefinierte Internet-Startseiten. Einsatzgebiet in Unternehmen ist die so genannte Business Intelligence. Nutzer können selbst gestalte Module wie RSS-Feeds, E-Mail-Nachrichten, Podcasts, Flickr-Fotos und andere Inhalte auf einer eigenen Seite zusammenfügen und per drag-and-drop in Spalten und Tabs anordnen. Anwender können so interne und externe Seiten, wie auch soziale Medien überwachen und analysieren.

Die nächste Stufe: CATIA V6

Dieses Programm hat weitgehend dieselben Funktionalitäten wie CATIA V5, bietet aber eine neue grafische Benutzeroberfläche. Außerdem ist ENOVIA bereits integriert. CATIA V6 unterstützt nun die die spartenübergreifende, virtuelle Konstruktion mit Systementwicklung, mechanischer Konstruktion, Formenbau und Anlagenbau. Außerdem erleichtert das Programm die Wiederverwendung von firmeneigenem Wissen.

Die zeitgemäße Gesamtlösung: CATIA 3DEXPERIENCE

Mit dieser Lösung liefert Dassault Systèmes eine Gesamtplattform für das ganze Unternehmen. Programme wie SIMULIA, DELMIA und ENOVIA sind nun integriert, sodass auch Nutzer außerhalb der Entwicklungsabteilung mit dem System arbeiten können.

Die CATIA-Funktionalitäten im Einzelnen

In CATIA beinhaltet der Konstruktionsprozess das Erzeugen dreidimensionaler Modelle, aus denen dann zweidimensionale Zeichnungen abgeleitet werden können. Einzelne Module erlauben beispielsweise DMU-Untersuchungen, Kinematik, Kabelbaumkonstruktion, FEM-Berechnungen und NC-Programmierung. Die Funktionen von CATIA stehen über spezialisierte Arbeitsumgebungen zur Verfügung. Nutzer können zwischen den einzelnen Arbeitsumgebungen je nach Bedarf wechseln.

Photo Studio

Hier finden sich alle Befehle zum Erzeugen von hochwertigen Renderingbildern, also dem Generieren von Bildern aus Rohdaten wie etwa geometrische Beschreibungen in 2D oder 3D.

Real-time rendering

Diese Befehle nutzt der Anwender, wenn er in Echtzeit rendern will. Das System berechnet dann eine Bildfolge, während der Anwender die Szene interaktiv bearbeiten kann.

Part design:

Mit diesen Befehlen erzeugt CATIA Volumenkörper.

Sheet Metal Design:

Assembly Design:

Mit diesen Befehlen fügt der Anwender einzelne Bauteile zu einer „Baugruppe“ zusammen, das heißt die Befehle dienen zum parametrisch-assoziativen Zusammenfügen von Einzelteilen zu einer „Baugruppe“. Beim parametrisch-assoziativen Zusammenfügen bilden Flächenmodelle durch Kombinieren aller Flächen das räumliche ‚Hüll‘-Modell eines Bauteils.

Sketcher:

Diese Befehle erzeugen Skizzen.

Drafting:

Müssen Anwender druckreife Zeichnungsblätter herstellen, nutzen sie diese Befehle.

Structure Design:

In dieser Arbeitsumgebung lassen sich Metallkonstruktionen gestalten.

Freestyle:

Hier finden sich alle Befehle zum dynamischen Erzeugen von nicht parametrisch-assoziativen Freiformflächen, speziell so genannter NURBS-Flächen. Das sind mathematisch definierte Flächen, die zur Modellierung beliebiger Formen genutzt werden. Dazu zählen vor allem das Erstellen von Kurven (3D-Kurven, Isoparametrische Kurven etc.), das Erstellen von Flächen (4-Punkt-Fläche, Erstellung mittels Extrude, Rotate etc.), das Bearbeiten von Flächen und Kurven (vor allem das Verformen mittels Kontrollpunkten). Darüber hinaus bietet die Freestyle-Umgebung umfangreiche Analysewerkzeuge (Flächenkrümmungsanalyse, Schnittebenenanalyse, Flächenanalyse mittels Isophoten etc.)

Generative Shape Design:

Diese Befehle erzeugen parametrisch-assoziative (prozedurale) Flächen. Dazu gehören vor allem Befehle zum Generieren von Drahtgeometrie (Punkte, Linien, Kurven etc.), zum Kreieren von Flächen, zum Bearbeitung von Flächen etwa durch Verrunden, oder Verformen. Mit weiteren Befehlen lassen sich Flächen analysieren, (z. B. Flächenkrümmungsanalyse). Wenn nötig, können danach die Flächenverbände in der Part Design-Arbeitsumgebung in einen Körper umgewandelt werden. Dabei bleibt die Assoziativität aus der Generative Shape Design-Arbeitsumgebung bestehen.

Sketch Tracer:

Über diese Befehle importiert der Anwender Bilder als Vorlage zur Modellierung.

Imagine and Shape:

Diese Arbeitsumgebung erlaubt die dynamische Freiformmodellierung von Flächen und Volumen auf der Basis des Subdivision Surface Modeling Diese Methode erzeugt auf der Basis eines Gitters eine glatte Fläche.

Advanced Meshing Tools:

Mit Hilfe dieser Befehle kann der Anwender Flächen und Volumen auf Grundlage der Finite-Elemente-Methode analysieren. Mit deren Hilfe lassen sich physikalische Effekte, beispielsweise die Einwirkung von Kräften auf verformbare Festkörper, simulieren. Beim Flugzeug wären das etwa die Wirkungen aerodynamische Belastungen oder der Fliehkräfte bei Start oder Landung auf die Flügel oder die Rumpfkonstruktion.

Wer CATIA V5 einsetzt

Die Anwenderliste von CATIA V5 liest sich wie ein „Who is Who“ der modernen High-Tech-Industrie. Ursprünglich für den Flugzeugbau konzipiert, hat das Programm inzwischen seinen Weg in zahlreiche angrenzende Branchen gefunden und wird inzwischen auch im Energie- und Transportbereich oder in der Konsumgüterindustrie verwendet.

CATIA wird in der Luftfahrt- und Automobilindustrie eingesetzt, etwa bei Airbus und Boeing, dem Volkswagen-Konzern, Renault, PSA, Jaguar-Landrover, Ford, Toyota, Honda) sowie deren Zulieferern (z. B. Continental AG, Brose, EDAG, SMP). Auch verschiedene Formel-1-Rennställe haben CATIA in ihren Entwurfsbüros, so das Mercedes AMG F1 Team, McLaren Racing, Force India, Sauber F1 Team, Williams F1 in Kombination mit NX, oder das Caterham F1 Team. Mit CATIA arbeiten aber auch zahlreiche Unternehmen im Energie- und Transportbereich, so etwa Alstom, in der Medizintechnik (Lawton), im Maschinen-, Anlagen- und Werkzeugbau (Schuler, Arburg), im Bauwesen (etwa Gehry Partners), im Schiffbau ( beispielsweise die Meyer Werft) und im Konsumgüterbereich (so etwa L’Oréal) sowie in der High-Tech-Branche (z. B. AMD, Clarion Malaysia).

Dass ein Tochterunternehmen von Avions Marcel Dassault ausgerechnet den US-Konkurrenten Boeing mit CAD-Software beliefert, ist dabei nicht ohne Ironie. CATIA war 2010 mit 17 Prozent Marktanteil die führende CAD-Lösung weltweit. Auf der ganzen Welt nutzen rund 100.000 Unternehmen das Programm.


Bildnachweis: © Delgadito via Wikimedia Commons.

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

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