Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts und des Instituts für Meteorologie brachen zu Forschungsflügen über dem Eismeer bei Grönland auf. Die Messflüge im Hohen Norden sollten klären, wie hoch die Verschmutzung durch Ruß inzwischen ist. Zum Teil stammt der aus Torffeuern in Westgrönland, zum Teil tragen ihn Höhenwinde aus entfernteren Regionen herbei. Je mehr Ruß sich im Hohen Norden sammelt, desto schneller könnte die polare Eiskappe schrumpfen. Das wiederum würde den Klimawandel beschleunigen.
Internationale Forschungskampagne
Grönland gilt als von Eis, Schnee und polarem Klima geprägte Insel. Torfbrände, die durch Selbstentzündung entstehen und gerade in abgelegenen Landstrichen kaum zu bekämpfen sind, würde man dort zuallerletzt erwarten. Dabei gibt es sehr wohl Torf auf Grönland. Und wahrscheinlich wegen der Klimaerwärmung brennt er öfter als früher.
Um die Folgen besonders starker Brände im letzten Sommer zu untersuchen, war ab Mitte März ein internationales Forschungsteam vier Wochen lang unterwegs. Federführend bei dieser Kampagne ist das Leipziger Institut für Meteorologie der Universität Leipzig. Hinzu kommen Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts, die unter anderem das Polarflugzeug Polar 5 als Messplattform mitbrachten, sowie weitere Forscher und Techniker aus Dänemark, den Niederlanden und Japan.
Was Ruß für die Arktis bedeutet
Von Villum aus, einer dänischen Forschungsstation an der Nordspitze der Insel, untersuchten sie Verteilung von Ruß und anderen Partikeln auf dem Meereis zwischen Grönland und Spitzbergen. Ruß und andere Partikel verdunkeln das Eis und sorgen so für Wärme. „Ein verstärktes Abschmelzen von Schnee und Meereis wäre dramatisch. Schon jetzt verliert das arktische Meereis deutlich an Fläche und wird auch tendenziell dünner“, erläutert André Ehrlich vom Institut für Meteorologie der Uni Leipzig. „Weniger Meereis bedeutet, dass weniger Sonnenstrahlen reflektiert werden und sich die Meeresoberfläche stärker erhitzt. Es kommt also zu einem Temperaturanstieg, der dann wiederum das Abschmelzen befördert. Dieser Kreislauf würde durch eine verstärkte Rußzufuhr in die Arktis noch verstärkt.“
Speziell der Ruß gelangt nicht nur durch Brände in Westgrönland, sondern auch durch andere Faktoren in den Hohen Norden. „Wir sehen in der Arktis schon jetzt eine deutliche Zunahme der Schifffahrt. Außerdem rückt die Region immer weiter in den Fokus für den Abbau von Ressourcen. Deshalb wollen wir auf unserer Kampagne herausfinden, welche Konsequenzen die damit verbundene Zunahme an Ruß und anderen Aerosolpartikeln mit sich bringen wird“, sagt Andreas Herber, Projektkoordinator am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Diese Partikel sind so leicht, dass sie auch aus Nordamerika oder Sibirien in die Arktis kommen können.
Grönlands milder Westen
Torfvorkommen und Moore finden sich im eisfreien Landstreifen entlang der grönländischen Küste, der im Süden und Westen der Insel bis zu 150 Kilometer breit sein kann. In diesem Landstreifen herrscht ein Klima wie in der Tundra. Die Vegetation besteht aus Heide, Gräsern, Moosen und Flechten, im Süden wachsen auch kleine Bäume. Im Zuge des Klimawandels wird Grönland wieder wärmer. Der Permafrostboden an den Küsten beginnt zu tauen. Im Sommer 2017 wurden im Südwesten Temperaturen von knapp 25 Grad gemessen – für grönländische Verhältnisse ein Rekordsommer. Warum die Torf-Lagerstätten anfingen zu brennen, ob durch Selbstentzündung oder Blitzschlag, blieb unklar. Das Feuer erfasste über 500 Hektar Land. Experten sind besorgt, weil Torf ein guter Kohlendioxid-Speicher ist. Das wird nun aber freigesetzt. Außerdem brechen im Hohen Norden immer öfter Feuer aus. Seit 2013 brennt dort doppelt so viel Wald ab wie noch vor 100 Jahren.
Forschungsflüge über dem Eismeer
Die Polarforscher nutzten neben Polar 5, einer modernisierten DC-3, auch Drohnen und einen Ballon für ihre Beobachtungen. Dazu gehörte auch die Dicke des Meereises, die als wichtiges Maß für die Entwicklung des Meereises gilt. „Im Klimasystem spielt nicht nur die Ausdehnung des arktischen Meereises eine Rolle. Wir müssen auch genau wissen, wie dick es ist. Nur dann können wir sagen, ob das Meereis insgesamt weniger wird“, sagt Andreas Herber. Messungen am Boden ergänzten die 70stündige Flugkampagne. Die Flüge dauerten zwischen drei und fünf Stunden. Sie führten vor allem in die Meereisregionen nördlich und östlich von Grönland. Am Boden sammelten die Forscher Schneeproben, um dessen Korngröße, Reflexionsvermögen und die Konzentration der enthaltenen Rußpartikel festzustellen. Und sie untersuchten die Häufigkeit von Aerosolpartikeln, die bei der Bildung und dem Gefrieren von Wolken eine wichtige Rolle spielen.
So funktioniert der EM-Bird
Zum Messen der Eisdicken haben Wissenschaftler am AWI ein spezielles Messgerät entwickelt. Das Gerät sieht aus wie ein dicker Torpedo und kann entweder von einem der AWI-Polarflugzeuge oder von einem Hubschrauber aus eingesetzt werden. Der von den Forschern „EM-Bird“ getaufte Sensor misst, wie weit die Unterkante des Eises von ihm entfernt ist. Weil der Sensor elektrische Induktion dafür nutzt, hängt er an einem langen Seil unter dem Flugzeug. Dessen Metall würde sonst die Messungen stören. Gleichzeitig zeigt ein Laser-Entfernungsmesser an, wie hoch der EM-Bird über der Eisoberfläche gleitet – anders ausgedrückt die Höhe über Grund. Aus diesen Messungen errechnet der Bordcomputer im EM-Bird dann die Eisdicke.
Allerdings kann die elektrische Induktionsmessung des EM-Birds nicht zwischen Schnee und Eis unterscheidet. Beide sind kaum elektrisch leitfähig. Hier liefert der Laser zusätzliche Informationen. Er verzeichnet nicht nur, wie weit der EM-Bird von der Eisoberfläche entfernt ist, sondern auch, wie hoch das Eis aus dem Wasser herausragt – nämlich dann, wenn das AWI-Polarflugzeug offenes Wasser überfliegt. „Wir kennen die Gesamtdicke von Schnee und Eis durch den EM-Bird und dank des Lasers das Freibord. Kombinieren wir beide Methoden, erhalten wir deutlich bessere Abschätzungen der tatsächlichen Eisdicke“, sagt AWI-Wissenschaftler Stefan Hendricks.
Mit Hilfe ihrer Ergebnisse hoffen die Wissenschaftler, die Klimaentwicklung im Hohen Norden besser zu verstehen. Bereits jetzt steht fest, dass auch dieses Jahr große Mengen Ruß aus anderen Regionen in drei bis vier Kilometern Höhe in die Arktis gelangt ist.
Bildnachweis: Titelbild: ©AWI/S. Hendricks, – #01: ©AWI/T. Krumpen., – #02: ©AWI/S. Hendricks, – #03: ©AWI/S. Hendricks., – #04: ©AWI/S. Hendricks