Neue Kampfflugzeuge für die Luftwaffe sind dringend von Nöten. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts sollen die MRCA „Tornados“ der Luftwaffe ersetzt werden. Und auf etwas längere Sicht ist auch ein Nachfolger für den „Eurofighter“ notwendig. Auf der diesjährigen ILA europäischen Luftfahrtkonzern Airbus und seine Unternehmenssparte Airbus Defence and Space. Die zweite ist außerdem eine gute Nachricht für den französischen Luftfahrt- und Technologiekonzern Dassault.
Neue Kampfflugzeuge: Airbus und Eurofighter übergeben Angebot für MRCA „Tornado“-Nachfolge
Zur Zeit noch in der Schwebe ist die Nachfolge für die alternden MRCA „Tornado“-Kampfflugzeuge der Luftwaffe. Die Luftwaffe bevorzugt die US-amerikanische F-35, während die Politik die MRCA „Tornados“ lieber durch eine weitere Serie „Eurofighter“ ersetzen möchte.
Nach den gegenwärtigen Planungen will die Luftwaffe die „Tornados“ ab 2025 nach und nach außer Dienst stellen und ihre Aufgaben auf einen anderen Flugzeugtyp übertragen. Das Verteidigungsministerium prüft allerdings zunächst verschiedene Optionen. Darunter sind nicht nur der Eurofighter, sondern auch die Lockheed Martin F-35A sowie die älteren US-Kampfflugzeuge F-18E/F und F-15E.
Am Tag vor der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA, am 24. April 2018, übergaben deswegen Airbus Defence and Space und die Eurofighter GmbH ihr Angebot, die MRCA „Tornados“ durch neu produzierte „Eurofighter“ zu ersetzen. Allerdings werden die Kampfflugzeuge wohl nicht im Verhältnis 1:1 ersetzt werden. Es geht eher um rund 40 zusätzliche „Eurofighter“, die dann Aufgaben wie die Aufklärung, die Bekämpfung feindlicher Flugabwehrsysteme oder den Einsatz der auf dem Fliegerhorst Büchel stationierten US-Atomwaffen unter NATO-Befehl übernehmen sollen.
Allerdings wird die endgültige Entscheidung wohl erst im Sommer oder sogar noch später fallen. Sie hängt davon ab, ob die Luftwaffe sich nicht doch entscheidet, die betagten „Tornados“ weiter zu modernisieren und über die Jahre 2025/2030 hinaus zu betreiben.
Beide Lösungen haben ihre Vor- und Nachteile. Für den „Eurofighter“ spricht, dass das Muster bereits eingeführt und ein großer Teil der nötigen Logistik bereits vorhanden ist. Außerdem bliebe die, wie man neudeutsch sagt, Wertschöpfung, im eigenen Land. Auf der anderen Seite wird es eine neue Eurofighter-Version nicht zum Nulltarif geben. Außerdem werden die realen Kosten aber wohl wie immer im Programmverlauf steigen.
Für die F-35A sprechen mehrere Faktoren. Einmal sind das ihre Stealth-Eigenschaften. Außerdem kann die F-35 die B-61-Atombomben und viele andere konventionelle Abwurfwaffen aus dem westlichen Arsenal mitführen. Zudem existiert auch für dieses Flugzeug bereits eine industrielle Basis in Europa. Es wird in Großbritannien und in Italien in Lizenz produziert. Außerdem werden auch viele europäische Luftwaffen die Lockheed Martin F-35 einführen – etwa Großbritannien, Italien, Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Spanien und die Türkei. Das größte Problem der F-35 ist ihr hoher Preis. Hinzu kommen zahlreiche ungelöste technische Probleme. Sie lassen es zweifelhaft erscheinen, dass eine deutsche Variante zeitnah zur Verfügung stehen würde.
Airbus Defence and Space und Dassault kooperieren
Ebenfalls am Rande der diesjährigen ILA gaben Airbus Defence and Space und der französische Luftfahrtkonzern Dassault ihre Zusammenarbeit bei einem zukünftigen deutsch-französischen Kampfflugzeug bekannt. Das Flugzeug soll voraussichtlich ab 2035 die „Eurofighter“ der deutschen Luftwaffe und die Dassault „Rafales“ der französischen Luftstreitkräfte ersetzen. Außerdem unterzeichneten die Verteidigungsministerinnen beider Länder, Ursula von der Leyen und Florence Parly, eine Vereinbarung über das gemeinsame Kampfflugzeugvorhaben.
Airbus Defence and Space und Dassault planen jedoch nicht nur ein Kampfflugzeug, sondern gleich ein ganzes Kampfsystem. Das soll nicht nur aus dem neuen Jet bestehen, sondern auch aus Drohnen, AWACS-Flugzeugen sowie Kampfjets anderer Typen, Kommandostellen am Boden sowie satellitengestützter Aufklärung und Kommunikation. Dieses „Future Combat Air System“ (FCAS) würde dann ein breites Aufgabenspektrum abdecken, das gegenwärtig von zahlreichen Einzelsystemen erfüllt wird.
Diese Idee ist keineswegs neu. Sie wurde bereits in Großbritannien als „Future Offensive Air System“ (FOAS) zwischen 1994 und 2005 untersucht, als die Royal Air Force einen Nachfolger für ihre MRCA „Tornados“ suchte. Etwa zur gleichen Zeit führte Deutschland die FAWS-Studie durch. Die Abkürzung stand für „Future Air Weapon System“ und untersuchte einen ähnlichen Systemverbund wie FOAS. Beide Studien führten jedoch nicht zu neuen Kampfjets. Stattdessen rüsteten Großbritannien und Deutschland ihre MRCA „Tornado“-Maschinen nach und machten aus dem reinen Jäger „Eurofighter“ ein Mehrzweckkampfflugzeug.
Video: Airbus 5th Generation Fighter
Airbus und Dassault wollen eine europäische F-35
In den USA hatte man ähnliche Ideen und verfolgte sie als „network-centric warfare“. Seit den Neunziger Jahren entstand daraus die digital vernetzte Kriegsführung, mit der die US-Streitkräfte ihre jüngsten militärischen Erfolge erzielt haben. Einzelne Systeme wie Kampfflugzeuge, Schiffe, Drohnen oder Marschflugkörper, aber auch einzelne Soldaten sind Teil eines Verbundes, zu dem auch Kommandostellen, AWACS-Flugzeuge und Satelliten gehören. Ein modernes Kampfflugzeug wie die Lockheed Martin F-35 oder die größere Boeing F-22 „Raptor“ könnte beispielsweise in diesem Verbund Ziele angreifen, ohne sich selbst durch aktive Sensoren zu verraten.
Europa versucht hier auf verschiedenen Wegen, aufzuholen. Allein schon, um weiterhin im Verbund mit den anderen NATO-Ländern operieren zu können. Ein Weg ist, aktive Kampfflugzeuge wie den „Eurofighter“ mit diesen Fähigkeiten auszustatten; für zukünftige Kampfflugzeuge wie das Airbus-Dassault-Vorhaben ist es dann eine selbstverständliche Anforderung. Allerdings liegt hier auch das größte Problem. Speziell die Bundeswehr tut sich mit der Einführung entsprechender Systeme schwer. Projekte wie der „Infanterist der Zukunft“, der deutsche Soldaten mit denselben Kommunikationsmitteln ausstatten soll wie die anderer NATO-Länder kommen nicht nur wegen Geldmangel nicht voran, sondern auch, weil sich die Vorstellungen der Bundeswehr selbst immer mal wieder ändern.
Der Systemverbund zum Führen des digitalisierten Zukunftskrieges existiert in Europa bestenfalls in Ansätzen. Zudem stellen immer noch die USA den größten Teil der dafür nötigen Infrastruktur bereit.
Feindliche Hacker wären zusätzliche Gefahr für den Kampfjet von Airbus und Dassault
Die Netzwerkfähigkeit der F-35 ist jedoch eines der ungelösten Probleme des Flugzeugs. Bislang sind sie nicht unter einsatznahen Bedingungen getestet worden. Zwar hat die US-Luftwaffe das Flugzeug und seine Systeme auf Sicherheitslücken hin überprüft. Das Testverfahren hat zwei Stufen. Die erste umfasst eine gründliche Untersuchung aller Systeme auf Anfälligkeiten. Sie wurde tatsächlich durchgeführt. Aber die zweite Stufe besteht in realen Cyberwar-Szenarien, also etwa Hacker-Angriffen. Sie hat nicht stattgefunden, weil die Verantwortlichen Schäden an der empfindlichen Avionik der F-35 befürchteten.
Bislang ist also nicht ausreichend geklärt, wie sicher die Lockheed Martin F-35 und der komplexe Systemverbund, ohne den sie nicht operieren kann, wirklich sind. Er wäre aber im Kriegsfall ein Prioritätsziel für gegnerische Hacker, denn sie könnten nicht nur simple Sabotage verüben, sondern auch falsche Informationen einschleusen.
Das Kampfflugzeug-Projekt von Airbus und Dassault würde also nicht nur die Entwicklung des Flugzeugs und seiner Waffensysteme umfassen. Dazu würde auch die Entwicklung eines leistungsfähigen und störsicheren Kommunikationssystems gehören. Ironischerweise hat Russland in den letzten Jahren bei der Modernisierung seiner Streitkräfte der elektronischen und kybernetischen Kriegsführung besonderen Vorrang eingeräumt.
Bildnachweis: Titelbild: ©Luftwaffe/Johannes Heyn – #01: ©Luftwaffe/WTD 61, – #02: ©Lockheed Martin. , – #03: ©Airbus Defence and Space Systems