Das Alfred-Wegener-Institut ist Deutschlands führende Institution für Polar- und Meeresforschung. Seit vielen Jahren verfolgen AWI-Wissenschaftler die Dicke des Meereises im Nordpolarmeer, weil sie ein wichtiger Indikator für den weltweiten Klimawandel ist. Eine umgerüstete DC-3 überflog als erstes deutsches Forschungsflugzeug den Nordpol.
Basler BT-67 „Polar 6“: Erstes deutsches Forschungsflugzeug überfliegt den Nordpol
Bei ihrer diesjährigen Messkampagne TIFAX (Thick Ice Feeding Arctic Export) nutzten die Forscher eines der beiden Forschungsflugzeuge vom Typ Basler BT-67, über die das AWI seit vielen Jahren verfügt. Am 22. August 2017, um 14. 10 Uhr überflog Polar 6, Zulassung C-GHGF, als erstes deutsches Forschungsflugzeug den Nordpol. „Abflug (1011 UTC) und Ankunft (1700 UTC) erfolgte von Station Nord aus (81.5°N,16W)“, meldete Dr. Thomas Krumpen, der Leiter der Messkampagne per E-Mail aus Grönland.
Fliegende Exkursion in die Arktis
Die Wissenschaftler führten ihre Messungen mit einem Laserscanner und einer elektromagnetischen Schleppsonde durch. Die Sonde hing während des Fluges an einer Tragevorrichtung unter dem Rumpf und wurde im Untersuchungsgebiet ausgeklinkt.
Das Untersuchungsgebiet lag zwischen Grönland und Spitzbergen, nördlich der Framstrasse. Hier treibt das Eis aus dem Arktischen Ozean hinaus in den Nordatlantik. Gegenwärtig liegt die Dicke des Eises bei etwa 1, 5 Meter, also rund 40 Zentimeter über der 2016 gemessenen Eisdicke. „Grund hierfür dürfte unter anderem ein höherer Anteil an mehrjährigem Eis sein, der in diesem Jahr in unserer Messgegend präsent war. Die gemessenen Werte liegen aber dennoch rund 30 % unter der in 2001 und 2004 beobachteten Dicke“, sagt Thomas Krumpen.
Die AWI-Wissenschaftler vermessen seit vielen Jahren die Dicke des Meereises und greifen dabei nicht nur auf Daten aus den Forschungsflugzeugen zurück, sondern auch auf Daten des Erderkundungssatelliten CryoSat2. Hinzu kommen direkte Messungen mit Eisbohrern im Rahmen von Expeditionen des Forschungsschiffes „Polarstern“.
Basler BT-67: Der runderneuerte Rosinenbomber
Die beiden Basler BT-67 des AWI erfüllen eine ganze Reihe von Aufgaben. Sie dienen sowohl als Plattform für eine breite Palette von Messinstrumenten wie auch als Transportmittel unter den extremen Bedingungen in den Polargebieten. Das AWI setzt sie sowohl zur Unterstützung seiner Kampagnen in der Antarktis als auch in der Nordpolarregion ein.
Die Flugzeuge sind stark modernisierte Klassiker der Luftfahrt. Beide verließen als Douglas DC-3-Passagier- oder Transportflugzeuge die Fabrik und erfüllten über Jahrzehnte zuverlässig ihre Aufgaben. Obwohl die erste DC-3 bereits in den 1930er Jahren zum Erstflug startete, sind bis heute Exemplare der betagten Konstruktion auf der ganzen Welt im Einsatz. Bis heute ist der beste Ersatz für eine DC-3 oder für die Militärversion C-47 immer noch eine andere Maschine gleichen Typs.
Die US-Firma Basler rüstet seit vielen Jahren DC-3-Maschinen mit Propellerturbinen aus. Beim Umbau wird beim Umbau die Struktur von Rumpf und Flügeln erneuert und der Rumpf verlängert. Das Ladetor im hinteren Rumpfbereich wird vergrößert. Zudem erhalten die Flugzeuge neue Flügel, neue Steuerungssysteme und moderne Elektronik.
Diese Basler BT-67 fliegen bei zahlreichen zivilen und militärischen Haltern in aller Welt. Es ist eines der wenigen Flugzeuge in dieser Gewichtsklasse, das über ein zugelassenes, kombiniertes Rad- und Skifahrwerk verfügt. Auch Südafrika und Israel haben kleine Serien umgerüsteter C-47 produziert.
Auftakt vor zehn Jahren mit „Polar 5“
Die erste Basler BT-67, „Polar 5“ C-GAWI wurde vor ziemlich genau zehn Jahren, am 1. Oktober 2007 in Dienst gestellt. Seitdem hat sie für wissenschaftliche und logistische Aufgaben mehr als 1, 3 Millionen Kilometer zurückgelegt. „Polar 5“ war mehrfach in der Arktis und in der Antarktis und hat an insgesamt 48 Messkampagnen teilgenommen. Gleich nach der Indienststellung 2007 flog sie in die Antarktis und landete am 9. November 2007 erstmals auf dem Südpolar-Kontinent.
„Polar 5“ wurde 1942 als eine Douglas DC-3T mit der Seriennummer 19227 im kalifornischen Santa Monica produziert. Der Umbau von der DC-3 zur Basler BT-67 dauerte elf Monate. Die 65 Jahre alte DC-3 erhielt nicht nur die für die Basler BT-67 typischen Modifikationen, sondern auch die für den Einsatzzweck als Forschungsplattform nötigen Umbauten.
So können durch Öffnungen im Rumpf Messsonden abgeworfen werden. Unter dem Rumpf kann ein Eisdickenmessgerät mitgeführt werden; außerdem können Magnetometer am Bug und am Heck installiert werden, mit denen Forscher das Erdmagnetfeld vermessen. Hinzu kommt die Möglichkeit, verschiedene Radarsysteme und Messgeräte wie etwa Luftdrucksensoren an Lastträgern zu montieren. „Polar 5“ bewährte sich, sodass das AWI eine zweite Basler BT-67 beschaffte. „Polar 6“ wurde am 28. Oktober 2011 in Dienst gestellt. Die beiden Flugzeuge ersetzen ältere und deutlich kleinere Forschungsflugzeuge.
Die Vorgänger der beiden „Rosinenbomber“ waren Turbopropmaschinen vom Typ Dornier Do 28 und Dornier Do 228. Die Flugzeuge erfüllten im Prinzip die gleichen Aufgaben, waren aber wesentlich kleiner und daher nicht so leistungsfähig wie die beiden Basler BT-67. Die beiden früheren Rosinenbomber sind in Kanada zugelassen und werden für das Alfred-Wegener-Institut von der kanadischen Firma Ken Borek Air Ltd. betrieben. Borek Air ist auf die Polarfliegerei spezialisiert und betreibt weitere Basler BT-67, aber auch einige DC-3-Maschinen sowie eine Flotte von De Havilland „Twin Otter“.
In Deutschland setzen die Flugzeuge die Rosinenbomber-Tradition fort. Eine kleine Anzahl DC-3-Maschinen flog während des Krieges für die deutsche Lufthansa und für die Luftwaffe. 1948/49 trugen C-47 „Dakotas“, die Militärversion der DC-3, zusammen mit der viermotorigen Douglas C-54 die Hauptlast der Lufttransporte.
Die Berliner tauften sie „Rosinenbomber“, weil die Flieger immer wieder Süßigkeiten an kleinen Fallschirmen für die Kinder abwarfen, die winkend unter den Einflugschneisen der Berliner Flughäfen standen. Und als die Alliierten 1955 wieder zivilen Luftverkehr unter deutscher Regie erlaubten, begann die in Frankfurt neu gegründete Lufthansa wiederum mit DC-3. Auch die Bundesluftwaffe stellte mit C-47 ihr erstes Transportgeschwader auf.
Video: PHOENIX EisZeit: Die Polar-5
Eine kurze Geschichte der DC-3
Über die DC-3 und ihre Militärversion zu schreiben, ist ein bisschen wie Eulen nach Athen zu tragen – oder Airbusse nach Hamburg. Die erste DC-3 flog am 17. Dezember 1935. Douglas entwickelte den Luftfahrtklassiker aus der etwas kleineren, aber sehr ähnlich aussehenden DC-2.
Ursprünglich hieß das Flugzeug „Douglas Sleeper Transport“, weil die Passagiere während der langen Transkontinentalflüge in den USA auf Liegen über den Sitzen schlafen konnten. Davon kam man später jedoch wieder ab und baute erst 28, dann 35 Sitze ein. Die DC-3 spielte, ähnlich wie ihre deutsche Zeitgenossin Ju 52, eine wichtige Rolle beim Aufbau der Luftverkehrsnetze vor dem 2. Weltkrieg.
Die DC-3 war robust, zuverlässig und sehr wirtschaftlich. Ziemlich schnell interessierte sich auch das US-Militär für das Flugzeug; ab Dezember 1941 kamen die ersten Maschinen zur damaligen Armeeluftwaffe. Sie wurden zum Arbeitspferd der alliierten Transportflieger und waren auf jedem Kriegsschauplatz anzutreffen. Nicht nur die USA setzten sie ein, sondern auch alle verbündeten Luftwaffen.
In den Dreißiger Jahren erwarben sowohl Japan als auch die Sowjetunion Produktionslizenzen. Die japanische Lizenzfertigung bei Mitsubishi belief sich auf 487 Maschinen. Sie endete 1945 mit dem Ende des 2. Weltkrieges, während die Sowjetunion bis 1952 4937 Flugzeuge produzierte. Insgesamt wurden über 15 000 Flugzeuge aller Versionen hergestellt. Nach Kriegsende gelangten viele von ihnen in den zivilen Liniendienst; allerdings nutzten auch viele Luftwaffen in aller Welt das Flugzeug. Obwohl die Technik längst viel weiter ist, sind auch heute viele der betagten Transporter im aktiven Dienst.
Bildnachweis: © Titelbild: Jan Rohde/AWI, #1 Alfred-Wegener-Institut, #2 R. Waltenberg/AWI, #3 Martin Leonhardt/AWI, #4 Michael Fischer/AWI, #5 Thomas Krumpen/AWI, #6 Tobias Binder/AWI, #7 Alfred-Wegener-Institut